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Overton-Magazin

Selenskij: „Jeder hält die Tür zu Russland einen Spalt weit offen“

28. Mai 2024
Florian Rötzer


Präsident Selenskij beim NYT-Gespräch. Screenshot von Video von Facebook-Account von Selenskij

Brütet der ukrainische Präsident eine Verschwörungserzählung aus, wenn er von Verrat der Unterstützerstaaten spricht? Soll die Schuld angesichts eines möglichen militärischen Scheiterns den Nato-Staaten zugeschrieben werden?

Vor wenigen Tagen gab der ukrainische Präsient Selenskij der New York Times ein langes Interview. Natürlich ging es darum, dass er mehr Waffen wie Patriot-Batterien und das schnell sowie die Nutzung der westlichen Waffen gegen Ziele in Russland und das Abschießen von Raketen über ukrainischem Territorium fordert. Aber er entwickelt auch eine Art Verschwörungstheorie, die offensichtlich den Zweck hat, die Schuld für ein mögliches militärisches Scheitern des Stellvertreterkriegs den Unterstützerstaaten zuzuschieben.

Man muss zugeben, dass aus der Sicht von Kiew manche der roten Linien der USA und anderer europäischen Staaten kaum nachzuvollziehen sind. Die Ukraine wird von Russland aus angegriffen, warum sollte sie aufmarschierende Truppen, Waffenlager und -transporte und andere militärische Logistik zur Verteidigung nicht mit westlichen Waffen angreifen?

Dass Unterstützerregierungen der Ukraine vermeiden wollen, in den Krieg durch Eskalation hineinzurutschen, ist für Selenskij kein stichhaltiges Argument. Es gebe sowieso keine Eskalation mehr, sie sei bereits mit dem Krieg gegen die Ukraine eingetreten. Die Partner der Ukraine würden ganz harte Sanktionen deswegen vermeiden, weil sie keinen totalen wirtschaftlichen Bruch wollen. So werde das russische Kapital in der EU nur eingefroren. Es werde nicht für eigene Interessen verwendet, man gebe es aber auch nicht der Ukraine. Auch diplomatisch sei Russland nicht isoliert worden: „Haben alle ihre Botschaften geschlossen? Nein. Haben alle die russischen Diplomaten aus ihren Ländern nach Hause geschickt? Nein. Haben sie ihre Botschafter aus einem Staat, der ein Terrorist ist, zurückgerufen? Nein. Und wurden die diplomatischen Sanktionen zu 100 Prozent angewandt? Nein.“

Bei den Waffen sei es dasselbe: „Warum kann man der Ukraine nicht die Möglichkeit geben, sie zu nutzen? Man wird sagen, dass dies eine Eskalation ist. Nein. Es ist ein völliger Abbruch der Beziehungen zur Russischen Föderation. Jeder hält die Tür zu Russland einen Spalt weit offen. Leicht angelehnt. Nicht so offen wie nach 2014, als ein großer Fehler gemacht wurde. Aber jeder der Staats- und Regierungschefs hat sie ein wenig offen gelassen. Nicht alle, aber viele. Nur einen Spalt. ‚Was ist, wenn die Ukraine verliert? Wir sollten die Türen zu Russland nicht ganz schließen.‘“

Das mag trotz des ganzen Kriegsaufrüstungs- und Kriegsgefahrgeraunes durchaus der Fall sein, wobei Selenskij wohl bald erreichen wird, dass westliche Waffen auch gegen Ziele in Russland eingesetzt werden können. Seine Forderung, von Nato-Flugzeugen russische Raketen im ukrainischem Luftraum abzuschießen, dürfte hingegen nicht erfüllt werden. Wahrscheinlich aber werden offiziell Nato-Ausbilder in die West-Ukraine verlegt, die man dann nach und nach verstärkt und so auch das Risiko für einen Zwischenfall erhöht, der zu einer Eskalation führen kann.

Dass sich die USA oder Deutschland bei der Lieferung bestimmter Waffensysteme zurückhalten, könnte auch einen anderen Grund haben. Bekannt ist, dass die Nato-Artillerie und -Raketen von den Russen immer besser gestört werden können. Beispielsweise die Ground-Launched Small Diameter Bombs (GLSDB) mit einer Reichweite von 150 km, Excalibur-Artilleriegeschosse, Joint Direct Attack Munition oder HIMARS-Raketen. Die Genauigkeit von Excalibur soll von 70 auf 6 Prozent gefallen, wie die Washington Post berichtete. Das könnte bei einer möglichen Konfrontation mit Russland, aber auch mit China, das vermutlich militärisch wichtige Informationen über Nato-Waffensysteme von Moskau erhält, zum Problem werden. Der Krieg in der Ukraine und der Einsatz von Nato-Waffen liefern Russland jedenfalls viele Erkenntnisse zur Verbesserung der eigenen Fähigkeiten (umgekehrt natürlich auch den Nato-Staaten über russische Waffen und Taktiken). Das könnte auch ein Grund sein, warum die Ukraine kaum Patriot-Systeme erhält, natürlich auch keine neuen Kampfflugzeuge, aber eben auch keine THAAD-Systeme oder Taurus-Raketen. Man will sich nicht bei allen Systemen in die Karten sehen lassen.

Doch der ukrainische Präsident äußert noch andere Vermutungen, die einen schon staunen lassen. Ausgangspunkt seiner Gedanken ist, dass Putin irrational sein müsse, wenn er einen Krieg beginnt, oder er habe gewusst, dass der Krieg für ihn keine Konsequenzen haben werde: „Das bedeutet, dass es Gespräche mit anderen Ländern gegeben hat. Ich will nicht einmal daran denken, denn das wäre keine Partnerschaft, das wäre hinter dem Rücken aller anderen zu spielen, und es wäre Verrat, voller Verrat.“

Vielleicht spielt er damit auf Länder an, die an der Konferenz zu seiner Friedenformel, der ein Unterwerfungsplan für Russland wäre, in der Schweiz, nicht teilnehmen, auch dem US-Präsidenten ist der Wahlkampf wichtiger als ein absurder Friedensplan, der noch dazu ohne Teilnahme von Russland stattfinden soll. Sicherheitshalber hat Kiew schon einige Punkte wie den Rückzug der russischen Truppen hinter die Grenzen von 1991 oder die Zahlung von Reparationen gestrichen, wie Selenskij in dem Interview auch sagt. Vermutlich geht es aber eher darum, angesichts der schwierigen militärischen Lage schon einmal die Schuld auf die Unterstützerstaaten zu schieben, weil die nicht voll hinter der Ukraine gestanden hätten und so für militärische Niederlagen verantwortlich wären. Das wäre besonders innenpolitisch wichtig. Auch jetzt, wo ukrainische Männer teils mit Gewalt zum Militär eingezogen werden.

Aber Selenskij nimmt die Unterstellung allerdings wieder auf eine seltsame Art zurück: „Nehmen wir also an, dass er (Putin) keine Vereinbarungen getroffen hat und einfach ein irrationaler Mensch ist, der beschlossen hat, dass niemand die Ukraine verteidigen wird und er einmarschieren und uns vernichten kann.“ Man weiß nicht, meint er es ernst, geht es ein wenig wirr in seinem Kopf zu, will er suggerieren, dass Putin nicht so dumm sein kann? Er fährt fort:

„Dann hätte er also Atomwaffen einsetzen können. Als es ihm nicht gelang, uns im ersten Jahr des Krieges zu erobern, hat er sie nicht eingesetzt – weil er vielleicht irrational ist, aber er liebt sein eigenes Leben sehr und versteht, dass die Türen vollständig geschlossen werden, wenn er Atomwaffen einsetzt. Denn der Einsatz von Atomwaffen ist keine rote Linie. Es ist eine andere Ebene. Das war’s also. Das ist der Dritte Weltkrieg.“

Seine Vermutung, dass Russland mit Unterstützerstaaten vor dem Krieg Gespräche über diesen geführt haben könnte, passt zu seiner Einschätzung, die er Mitte Mai geäußert hatte, dass Partnerstaaten Angst hätten, dass Russland den Krieg verliert, weswegen sie sollen, dass Kiew „so gewinnt, dass Russland nicht verliert“. Die Partner würden fürchten, dass dann, wenn Russland verliert, es zu „unvorhersehbaren geopolitischen Veränderungen“ käme: „Ich glaube nicht, dass es so funktioniert. Damit die Ukraine gewinnt, muss uns alles gegeben werden, mit dem wir gewinnen können.“

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