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Deutschlands Kriegsvorbereitungen, Frankreichs Beitrag

8. Juni 2024
Von Assoc. Prof. Dr. Stephan Sander-Faes

Kürzlich veröffentlichte das Bundesinnenministerium einen 81seitigen Plan ( https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/sicherheit/RRGV.html ) um die Bevölkerung im Kriegsfall zu schützen. Einige wichtige Punkte wurden daraufhin von dem Handelsblatt ( https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/was-wenn-russland-angreift-das-sind-die-plaene-berlins-fuer-den-kriegsfall/100042912.html ) besprochen, doch wie so oft lohnt sich ein genauer Blick auf die Inhalte.

Ein dynamisches Duo: Deutschland und Frankreich

Dieser Leitfaden ist hingegen ausgesprochen „wild“, enthält er doch nicht nur eine Menge wirres Zeug, sondern ist auch ernüchternd zu lesen.

Auf den Seiten 7-8 erfahren wir, dass Deutschlands „sicherheitspolitische Ziele und Interessen“ mit der UNO, der NATO und der EU verbunden sind, und dazu gehört natürlich auch der „Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“.

Der eigentliche Knackpunkt findet sich auf S. 9, wo ausdrücklich folgendes festgestellt wird

Angesichts der untrennbar verbundenen Sicherheitsinteressen von Deutschland und Frankreich haben sich beide Staaten im Vertrag von Aachen dazu verpflichtet, im Falle eines bewaffneten Angriffs auf ihre Hoheitsgebiete jede in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung zu leisten, was militärische Mittel einschließt.

Berlin und Paris sind also nicht nur die neuen „Achsenmächte“ (so z.B. die Bundeszentrale für Politische Bildung, der ORF oder Politico), sondern zusätzlich zu der sog. „Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik“ der Europäischen Union, dem NATO-Vertrag und der Charta der Vereinten Nationen sind Deutschland und Frankreich also die siamesischen Zwillinge Europas.

Der Aachener Vertrag, unterzeichnet im Jahr 2019 (!) – seien wir ehrlich: haben Sie das mitbekommen und, wenn ja, wie wurde darüber berichtet? – ist eine Art „Update“ des Elysée-Vertrags von 1963, der jedoch weiterhin in Kraft bleibt. Die Bundeszentrale für Politische Bildung erklärt hierzu (meine Hervorhebungen):

Frankreichs Präsident Macron hatte bereits im September 2017 bei seiner Europa-Rede in der Pariser Sorbonne-Universität eine Neuauflage des Vertrags ins Spiel gebracht. Beide Länder hatten sich schließlich im Juni 2018 in der gemeinsamen Erklärung von Meseberg darauf verständigt, bis Ende des Jahres einen neuen Élysée-Vertrag auszuarbeiten. Der vorliegende 16-seitige Aachener Vertrag besteht vor allem aus Bekräftigungen und politischen Absichtserklärungen, beinhaltet aber einige konkrete Maßnahmen.

Heute Aachen, morgen die gesamte EU

Ich habe den Originallink aus dem BPD-Beitrag beibehalten, der zwar an das Auswärtige Amt verweist, dort allerdings eine Fehlermeldung erzeugt. Ich bin mir sicher, dass die URL zwischenzeitlich verändert wurde, hier finden Sie den Vertragstext (dank des Internet-Archivs; meine Hervorhebungen).

Art. 2: Beide Staaten vertiefen ihre Zusammenarbeit in Angelegenheiten der Außenpolitik, der Verteidigung…

Art. 3: …die beiden Staaten, überzeugt davon, dass ihre Sicherheitsinteressen untrennbar miteinander verbunden sind, [nähern, Anm.] ihre sicherheits- und verteidigungspolitischen Zielsetzungen und Strategien einander zunehmend an…Sie leisten einander im Falle eines bewaffneten Angriffs auf ihre Hoheitsgebiete jede in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung; dies schließt militärische Mittel ein. Die territoriale Reichweite nach Satz 2 entspricht derjenigen nach Artikel 42 Absatz 7 des Vertrags über die Europäische Union.

Besagter Art. 42 Abs. 7 lautet:

Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt.

Die Verpflichtungen und die Zusammenarbeit in diesem Bereich bleiben im Einklang mit den im Rahmen der Nordatlantikvertrags-Organisation eingegangenen Verpflichtungen, die für die ihr angehörenden Staaten weiterhin das Fundament ihrer kollektiven Verteidigung und das Instrument für deren Verwirklichung ist.

Wir lernen also, dass Deutschland und Frankreich „untrennbar“ verbunden sind und die „territoriale Reichweite“ der bilateralen Aachener Übereinkunft sich über das gesamte Hoheitsgebiet der in der EU verbundenen (Dritt-, Viert-, Fünft-…) Staaten erstreckt.

Haben Sie gewusst, dass die EU also ein Militärbündnis ist, dass Deutschland und Frankreich zu den Waffen greifen lässt, da die EU das Hoheitsgebiet (sic) ist, für das Berlin und Paris verantwortlich zeichnen.

Daher gibt es auch einen „Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrat als
politisches Steuerungsorgan für diese beiderseitigen Verpflichtungen“, wie es im Aachener Vertrag heißt. Da sowohl Frankreich als auf die BRD NATO-Mitglieder sind, kommen zudem weitere Verflechtungen sicherheitspolitischer Natur hinzu, die zu einer raschen weiteren Eskalation beitragen können (und zwar indem die NATO-Mitglieder durch den Verteidigungsfall nach Art. 5 der NATO-Akte gleichsam „hineingezogen“ werden).
Was denkt das Ausland dazu?

Erwartungsgemäß finden sich derartige – m.E. essentielle – Informati0nen nicht in den „Leit- und Qualitätsmedien“. Hierzu präsentiere ich Ihnen gleichsam als pars pro toto einen eben erschienen Beitrag des norwegischen Staatsfunks NRK (meine Übersetzung und Hervorhebungen).

Die deutsche Regierung hat am Mittwoch einen neuen Notfallplan für Krisenzeiten verabschiedet. Er beschreibt die Maßnahmen, die das Land ergreifen wird, wenn in den nächsten Jahren ein Krieg auf dem Kontinent ausbricht.

Dazu könnte unter anderem die Wehrpflicht gehören, die Deutschland 2011 abgeschafft hat. [diese wurde „ausgesetzt“]…

Die Nachricht kam einen Tag, nachdem eine vollständige Einigung über Norwegens neuen Verteidigungsplan erzielt wurde…

Laut Faeser ist es wichtig, dass der Zivilschutz gestärkt wird. So will die Regierung beispielsweise U-Bahnhöfe und Tiefgaragen zu behelfsmäßigen Bombenschutzräumen umbauen und neue Warnsysteme entwickeln.

Möglicherweise werden auch Lebensmittelrationierungen eingeführt, und es gibt Pläne für geheime Notvorräte an Getreide und haltbaren Lebensmitteln, um die Bevölkerung zu versorgen…

Zu den Kriegsmaßnahmen gehört auch, dass Bürger über 18 Jahren zur Arbeit zwangsverpflichtet werden können. Außerdem können Angehörige der Gesundheitsberufe sowohl zum Militär- als auch zum Zivildienst einberufen werden – auch solche, die nicht arbeiten.

Deutsche Unternehmen können verpflichtet werden, ihre Produktion auf Rüstungsgüter umzustellen. Krankenhäuser werden darauf vorbereitet sein, weit mehr Patienten als bisher aufzunehmen, schreibt The Telegraph.

Außerdem sollen die Medien verpflichtet werden, im Auftrag der Regierung aktuelle Informationen zu veröffentlichen und alle Informationen, die sie erhalten, weiterzugeben, heißt es in dem Dokument.

Wir sind, so Prof. Tormod Heier, „zurück im Kalten Krieg“, wie NRK seine Berichterstattung abrundet.

Er glaubt, dass Putin mit den [deutschen] Maßnahmen zufrieden sein könnte.

„Es ist ein Zeichen dafür, dass der Westen sich vorbereitet und besorgt ist. Russland will gefürchtet und respektiert werden.“

„Aber das wird auf Putin zurückschlagen“, sagt Heier: „Denn die westlichen Verteidigungsbudgets steigen, wie auch die Präsenz der NATO, während er gleichzeitig all die Staaten verschreckt, die helfen, die USA auf Distanz zu halten.“

Eine Zweitmeinung zu Russlands Absichten

Meinungen sind bekanntlich frei, daher versorge ich Sie gleichzeitig mit der Einschätzung des langjährigen „Sicherheitsforschers“ Ola Tunander: Russland – wie auch die UdSSR zuvor – strebe nach Sicherheit, die durch einen „inneren Cordon sanitaire“ in unmittelbarer Nachbarschaft sowie einen „äußeren Ring“ gewährleistet werden solle. Ersterer bedeutet die Neutralität bzw. Neutralisierung von feindlichen Bündnissen, zweiteres die Unterbindung entfernter gelegener Regionen für den Aufmarsch feindlicher Truppen.

Der „innere Ring“ ist also Ostmitteleuropa (allesamt in der NATO, außer Moldawien und die Ukraine, vom Südkaukasus ganz zu schweigen), der „äußere Ring“ sind die Staaten Mitteleuropas. Gemäß Tunander sind vor allem durch den NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands sowie durch das neue M Militärabkommen Norwegens nun ganz Skandinavien in den „inneren Ring“ eingetreten; Russland hat mir der Formierung – eigentlich der Wiedererrichtung – des sog. „Leningrader Militärdistrikts“ geantwortet, eines Militärkommandos, das nun die Federführung für die „Verteidigung“ an der Nordflanke übernimmt wie in Sowjetzeiten. Insofern liegt Heier also korrekt, wiewohl der NATO-Beitrtt eher die nordische Sicherheit beeinträchtigt.
Ausdeutung und Einschätzung

Deutschland und Frankreich – und mit diesen beiden die gesamte EU – sind auf Gedeih und Verderb aneinander gekettet. Und zwar ab dem Moment, in dem ein „feindlicher Angriff“ auf das Hoheitsgebiet der EU eintritt, ist die „Achse“ Berlin-Paris gemäß dem Aachener Vertrag verpflichtet, einander militätischen Beistand zu leisten.

Da Frankreich und die BRD NATO-Mitglieder sind, bedeutet dies eine (zwingende) Eskalationslogik, die nichts Gutes verspricht.

Wenn Frankreich zum Beispiel Truppen in die Ukraine schickt (ich weiß, das wäre völlig unverantwortlich und würde deshalb nie passieren) und diese Opfer russischer Attacken würden – was könnte – wird – und wie schnell schief gehen?

Außerdem ist es offensichtlich, dass die deutsche Bundesregierung, sobald der Krieg ausbricht (anscheinend auf die eine oder andere Weise), alles übernehmen wird, was sie jetzt noch nicht unter Kontrolle hat.

Was jedoch jedem vernünftigen Menschen zu denken geben sollte, sind die inkompetenten Kriegstreiber, die (angeblich) die westliche Zivilisation derzeit „regieren“ und ihre immer weiter zunehmende Kriegslust gegenüber Russland.

Alle roten Linien Moskaus wurden überschritten; Russland hat (noch) keine Vergeltung geübt.

Der Westen bewegt sich immer schneller in Richtung „Bündnisfall“ = Kriegsfall zu.

Die Kollateralschäden umfassen sowohl das Völkerrecht als auch Freiheiten.

Ich hoffe, dass die Russen ihre Kinder (mehr) lieben als die westlichen Anführer.

https://tkp.at/2024/06/08/deutschlands-kriegsvorbereitungen-frankreichs-beitrag/
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