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Telepolis

Taiwan mit Waffengewalt stürmen?

01. Juli 2024 Uwe Kerkow


Taipeh bei Sonnenaufgang. Foto: Chensiyuan, CC BY-SA 4.0

China erwägt militärische Optionen gegen Taiwan. Die USA warnen vor Konsequenzen. Doch Pekings Armee wächst stetig. Könnte eine Invasion wirklich gelingen?

Der Nervenkrieg um Taiwan geht mit unverminderter Härte weiter. Washington (
https://www.navalnews.com/naval-news/2024/06/breaking-down-the-u-s-navys-hellscape-in-detail/ ) und Peking drohen und die Falken in Taipeh ( https://www.taipeitimes.com/News/front/archives/2024/06/20/2003819615 ) setzen ‒ zumindest verbal ‒ auf Stärke. Das wirft drei grundlegende Fragen auf:

Wie stehen Taipehs Chancen, eine chinesische Invasion zu verhindern?
Welche Anstrengungen müsste Peking unternehmen, um eine Invasion mit einer gewissen Aussicht auf Erfolg durchzuführen?
Was könnte China im Falle eines militärischen Sieges gewinnen und was würde es verlieren?

Taiwan

Die Armee ( https://foreignpolicy.com/2020/02/15/china-threat-invasion-conscription-taiwans-military-is-a-hollow-shell/ ) Taiwans ist auf dem Papier rund 200.000 Mann stark, tatsächlich dürften es jedoch nur 150.000 Soldaten sein. Experten von Foreign Policy schätzen, dass die Fronteinheiten derzeit allerdings nur eine effektive Personalstärke von 60 bis 80 Prozent aufweisen.

Zum Vergleich: Die Bundesrepublik verfügt momentan ( https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1294721/umfrage/militaerische-staerke-von-deutschland/ ) über rund 180.000 Soldaten und 34.000 Reservisten. Doch leben in Deutschland etwa 83,3 Millionen Menschen, in Taiwan sind es dagegen nur knapp 24 Millionen, etwas weniger als in Nordrhein-Westfalen und Hessen zusammengenommen.

Während in Deutschland allein die Grundausbildung von Rekruten drei Monate dauert, wurde die Wehrpflicht in Taiwan 2017 auf insgesamt nur vier Monate verkürzt. Die allgemeine Wehrpflicht ist zwar in der taiwanesischen Verfassung verankert, doch nehmen die Rekruten weder an Feld- noch an Mobilmachungsübungen teil.

Taiwans Militär nur bedingt abwehrbereit

Die meisten Wehrpflichtigen dienen nicht einmal vier Monate, da ihnen Dienstzeiten angerechnet werden, wenn sie in der Highschool oder im College eine militärische Ausbildung absolviert haben. Da kann es nicht verwundern, dass solche Soldaten in einem militärischen Konflikt mit einem vielfach überlegenen Gegner eher als Problem denn als Lösung betrachtet werden.

Darüber hinaus berufen sich die Falken in Taipeh auf eine Zahl von zwei Millionen Reservisten. Doch Foreign Policy zitiert hochrangige taiwanesische Militärs, denen zufolge solche Zahlenspiel "reine Fantasie" sind. Und darüber hinaus mangelt es Taipeh offensichtlich auch an Ausrüstung und Aufmarschplänen.

Auch wenn das Militär mit auffälligen US-Waffenkäufen wie M1-Abrams-Panzern und F-16V-Kampfjets aufrüstet, ist seine Mannschaftsstärke unzureichend und das gesamte Reservesystem ist dysfunktional. "Diese Probleme sind gut dokumentiert, werden aber von Taiwans politischer Führung nach wie vor heruntergespielt, wenn nicht sogar völlig ignoriert - und es gibt keinen klaren Plan zur Lösung der Krise" resümiert Foreign Policy.

Fazit: Ohne extensive Unterstützung der USA und gegebenenfalls von weiteren Nato-Ländern würde Taiwan im Falle einer Invasion mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an China angeschlossen.

China

Doch trotz des schlechten Zustands der taiwanesischen Streitkräfte bleibt die Aufgabe für Peking, die Insel zu erobern, gewaltig. Taiwan ist 36.197 km² groß und damit rund sechs Prozent größer als Nordrhein-Westfalen. Die Straße von Taiwan ist 180 Kilometer breit. Zum Vergleich: Der Ärmelkanal misst an seiner schmalsten Stelle 34 km.

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180 km sind keine Entfernung für Flugzeuge; aber mit einem modernen chinesischen Zerstörer dauert es selbst bei dessen Höchstgeschwindigkeit von 30 Knoten noch über drei Stunden, bevor die Insel erreicht ist. Truppentransporter und Versorgungseinheiten brauchen etwa dreimal länger.

Doch Zeit ist nicht nur für China ein Problem. Die USA benötigen nach Aussage von Admiral Samuel Paparo, dem Befehlshaber des Indopazifischen Kommandos, einen Monat, um im Westpazifik gegen China Stellung zu beziehen. Es gibt allerdings Hinweise ( https://www.voanews.com/a/a-13-a-2002-10-23-31-us-66458572/551470.html ) darauf, dass die Vorbereitungen der USA für den Irak-Krieg 2003 ein halbes Jahr in Anspruch nahmen.

Taiwan in den ersten drei Monaten am verwundbarsten?

Eine Analyse der rechtslastigen Rand-Corporation kommt zu dem Schluss, dass Taiwan in den ersten drei Monaten am verwundbarsten ( https://www.rand.org/pubs/research_reports/RRA1658-1.html ) für eine militärische Übernahme durch China ist.

Noch fehlen China Transportkapazitäten, um eine massive Invasion rasch Wirklichkeit werden zu lassen. Laut Asia Times könnten die amphibischen Angriffsschiffe der chinesischen Marine bei einer ersten Invasionslandung auf Taiwan lediglich das Ausrüstungsäquivalent einer schweren, mit Panzerfahrzeugen ausgestatteten Brigade (1.500 – 5.000 Soldaten) und 21.000 Soldaten transportieren (
https://asiatimes.com/2024/06/chinas-new-ship-for-a-drone-powered-taiwan-invasion/ ).

Um die 150.000 Soldaten auf Taiwan zu besiegen, benötigen etwaige Invasionstruppen nach der 1:3-Formel ( https://www.dupuyinstitute.org/blog/2019/11/14/the-source-of-the-u-s-army-three-to-one-rule/ )möglicherweise eine Stärke von bis zu 450.000 Mann. Das kann die zwei Millionen Soldaten zählende Volksbefreiungsarmee (PLA) Pekings zwar durchaus bewältigen (
https://asiatimes.com/2024/02/will-china-have-the-manpower-to-take-taiwan/ ) – doch es wäre eine auch nach historischen Maßstäben ziemlich einzigartige Aktion.

Die Stärke der PLA ist ausreichend

Zum Vergleich: An der Landung der Alliierten 1944 in der Normandie waren 156.000 ( https://en.wikipedia.org/wiki/2003_invasion_of_Iraq ) Soldaten beteiligt, an der Invasion des Irak allerdings sogar 590.000 ( https://en.wikipedia.org/wiki/2003_invasion_of_Iraq ).

Klar ist: Die chinesische Marine wächst seit Jahren zügig, die US-amerikanische schrumpft derzeit.

Klar ist auch, dass die USA sich auf den Waffengang ganz praktisch vorbereiten. So baut Washington im Moment Lagerbestände ( https://asiatimes.com/2024/06/us-bulking-up-missile-stocks-for-a-taiwan-war/ ) an Raketen und Lenkwaffen auf.

Viele Verantwortliche in Washington gehen davon aus, dass die Invasion im Jahr 2027 ( https://www.defensenews.com/pentagon/2024/05/07/how-dc-became-obsessed-with-a-potential-2027-chinese-invasion-of-taiwan/ ) stattfinden könnte.

Das militärische Ergebnis ist ziemlich gewiss

Zu erwarten ist schließlich, dass der massive Einsatz von Künstlicher Intelligenz und weitgehend automatisierten und vielleicht schon teilautonomen Waffen neue Formen der Kriegsführung hervorbringen wird. Trotz alledem ist der militärische Ausgang eines solchen Waffengangs letztlich ziemlich gewiss. Die Rand-Corporation schreibt:

Taiwan könnte lange Zeit entschlossenen Widerstand leisten, aber ohne eine robuste militärische Intervention der USA würde Chinas enormer Vorteil bei den militärischen Ressourcen es ihm wahrscheinlich erlauben, die Insel schließlich zu unterwerfen.

Rand Corporation

Warum China eine Invasion Taiwans bisher dennoch scheut, klärt ein Blick über die rein militärischen Aspekte hinaus auf die immensen wirtschaftlichen und politischen Risiken, die Peking eingeht, wenn es zum Sturm auf die Insel ansetzt.

Weltweite Konsequenzen

Was vom Westen bei einem chinesischen Sturm auf Taiwan zu erwarten ist, hat der Ukraine-Konflikt gezeigt. Die Reaktion des Westens würde ähnlich radikal ausfallen, wobei viele Sanktionen noch schwieriger umzusetzen wären als gegen Russland. Dennoch ist mit harten Maßnahmen im finanziellen Sektor, politisch und beim Handel zu rechnen (
https://www.atlanticcouncil.org/in-depth-research-reports/report/sanctioning-china-in-a-taiwan-crisis-scenarios-and-risks/ ) – die ganz sicher auch gegen Pekings Partner gerichtet würden.

Um den dadurch – und durch mögliche chinesische Gegenmaßnahmen – entstehenden Schaden zu begrenzen, würde der Westen versuchen, chinesische Sektoren zu treffen, die überdurchschnittlich abhängig von Lieferungen aus dem Westen sind. Das Atlantic Council mahnt allerdings, dass solche Asymmetrien erst noch erforscht ( https://www.atlanticcouncil.org/in-depth-research-reports/report/sanctioning-china-in-a-taiwan-crisis-scenarios-and-risks/#conclusions-and-recommendations ) werden müssten.

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Ob die USA und die G7 ihre Ein-China-Politik aufgeben und durch die Anerkennung eines unabhängigen Taiwans ersetzen würden, ist ebenfalls denkbar, denn dann würde es leichter möglich, die Annexion Taiwans durch Peking abzulehnen ‒ gerade auch dann noch, wenn sie gelingen sollte.

Ist das Ergebnis das Risiko wert?

In Peking fragt man sich sicher auch, was gewonnen wäre, wenn die Operation gelänge. Und diese Bilanz kann bestenfalls gemischt ausfallen. Das Center for Strategic and International Studies zählt eine ganze Reihe ( https://www.csis.org/analysis/reunification-taiwan-through-force-would-be-pyrrhic-victory-china ) von Schwierigkeiten auf:

China würde eine erheblich zerstörte und isolierte "Sonderverwaltungszone" erhalten, die einen immensen wirtschaftlichen Einbruch erleiden und deren Unterwerfung, Überwachung und Wiederaufbau teuer würde.

Die taiwanesische Halbleiterindustrie würde schwerstens geschädigt und wäre nicht in der Lage, die Produktion von hochmodernen Mikrochips wieder aufzunehmen.

Chinas wirtschaftliche und diplomatische Beziehungen zu den fortgeschrittenen Volkswirtschaften würde sich erheblich verschlechtern.

Die Peripherie Chinas, vor allem in Südostasien, würde voraussichtlich überwiegend feindselig reagieren.

Die Wirtschaft würde zu bedeutenden Teilen auf Kriegsproduktion umgestellt und Pekings Ziel, China zu einem Land mit hohem Einkommen zu machen, wäre wohl noch schwerer ( https://theedgemalaysia.com/node/703174 ) zu erreichen und zu halten.

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https://www.telepolis.de/features/Taiwan-mit-Waffengewalt-stuermen-9784091.html?seite=all
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